AsylNews 3/2020 – Asylwesen Schweiz

Eine geplante Gesetzesänderung soll den Schweizer Asylbehörden in Zukunft erlauben, Handys, Laptops und andere Datenträger von Asylsuchenden systematisch auszuwerten. Gegnerinnen und Gegner der Vorlage werten dies als schwerwiegenden Eingriff in die Privatsphäre der Betroffenen.

Voraussichtlich in der Wintersession 2020 wird der Gesetzesentwurf zur Mitwirkungspflicht und den Überprüfungsmöglichkeiten von elektronischen Datenträgern im Asylverfahren dem Nationalrat unterbreitet. Die Vorlage geht zurück auf die parlamentarische Initiative des Zürcher SVP-Nationalrates Gregor Rutz vom März 2017. Sie sieht vor, dass Geflüchtete im Asylprozess ihre Handydaten offenlegen müssen. Bereits heute besteht laut Asylgesetz eine gesetzliche Mitwirkungspflicht, im Rahmen derer Asylsuchende ihre Identität offenlegen und dazu ihre Reisepapiere und Identitätsausweise abgeben müssen. Auch Handydaten können als Beweismittel hinzugezogen werden – bis jetzt allerdings nur auf freiwilliger Basis. Die angestrebte Gesetzesrevision will die Mitwirkungspflicht um die obligatorische Geräteherausgabe erweitern, um Identität, Staatsangehörigkeit und Informationen über die Flucht besser überprüfen zu können, wenn keine Identitätsdokumente vorliegen oder wenn es keine anderen zumutbaren Recherchemöglichkeiten gibt. Zentrale Aspekte des Gesetzes wie beispielsweise die Definition, welche Daten erhoben werden sollen, oder die konkrete Regelung des Zugriffs, sollen gemäss dem Vorentwurf der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates (SPK-N) erst auf Verordnungsstufe geregelt werden.

Zweckdienlich und effizient
In der Vernehmlassung, die bis Anfang Juni 2020 lief, befürworteten die bürgerlichen Parteien (SVP, FDP, CVP) die Gesetzesrevision. Sie sind der Auffassung, dass die Auswertung von Handydaten eine effiziente Methode zur Informationsbeschaffung darstelle. Dieser Auffassung ist auch der Berner Regierungsrat. Der damit verbundene Eingriff in die Privatsphäre der Asylsuchenden wird als vertretbar und verhältnismässig gewertet. Die Befürworterinnen und Befürworter verweisen dabei unter anderem auf die Situation in Deutschland, wo es dem Bundesamt für Flüchtlinge bereits heute möglich ist, elektronische Daten von Asylsuchenden routinemässig zu prüfen, sowie auf ein Pilotprojekt des Staatssekretariates für Migration (SEM), welches von November 2017 bis Mai 2018 die freiwillige Abgabe von 565 Handys und anderen Datenträgern ausgewertet hat. Die ausgewerteten Daten des Schweizer Pilotprojekts lieferten in fünfzehn Prozent der Fälle nützliche Hinweise zu Identität, Reiseweg oder Herkunft. Laut dem SEM sei eine solche Datenauswertung der oft schwierigen Identitäts-
abklärung dienlich und man erhoffe sich durch eine gesetzliche Verpflichtung zur Geräteabgabe noch bessere Resultate.

Unverhältnismässig und rechtsstaatlich bedenklich
Die Erfahrungen aus dem In- und Ausland würden die geplante Gesetzesrevision nicht rechtfertigen, halten hingegen die Gegnerinnen und Gegner der Vorlage fest. Die Effizienz der Methode stehe in keinem Verhältnis zu den voraussichtlich hohen Kosten und der beschränkte Nutzen einer solchen Massnahme rechtfertige auf keinen Fall den schwerwiegenden Eingriff in die Privatsphäre.

Ein solcher liege vor, da im Asylverfahren besonders schützenswerte Daten betroffen sind. Die vorgesehene Gesetzesänderung sei sowohl aus Sicht des Datenschutzes als auch aus rechtsstaatlicher Perspektive «höchst bedenklich», wie beispielsweise die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) argumentiert. Diese Bedenken teilen auch das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR), die SP, die Grünen und der eidgenössische Datenschutzbeauftragte. Letzterer sieht in der systematischen Auswertung von Handydaten einen schweren Eingriff in das Grundrecht auf Schutz der Privatsphäre. Ein solcher dürfe selbst in einem Strafprozess nur nach einem Gerichtsverfahren vorgenommen werden. Auch die SFH findet es stossend, dass Asylsuchende, bei denen es sich um Schutzsuchende handelt, schlechter gestellt sein sollen als Straftäter. Zudem fordern die Gegnerinnen und Gegner der Vorlage, dass ein solch schwerer Eingriff in die Grundrechte in einem Gesetz im formellen Sinn – und nicht erst auf Verordnungsstufe – geregelt werden müsse.

Das UNHCR formuliert in seiner Vernehmlassungsantwort Empfehlungen zu einer umfassenden Prüfung der völker- und verfassungsrechtlichen Konformität der Gesetzesänderung. U.a. sollen die Bearbeitung von Personendaten einer Genehmigungspflicht unterstellt werden, ein unabhängiges Aufsichtsgremium die Menschenrechtskonformität und die Anwendung der Massnahmen im Einzelfall prüfen und nach zwei Jahren soll anhand einer obligatorischen Evaluation geprüft werden, inwiefern die Massnahmen tatsächlich geeignet sind.